Das Orakel von Delphi liegt ziemlich genau in der Mitte Griechenlands und galt in der Antike als der Nabel der Welt. Der Nabel der Welt, der Omphalos.
Inhaltsverzeichnis
- Das Orakel von Delphi als Machtzentrum des antiken Griechenland
- Das Orakel von Delphi: Erkenne dich selbst
- Des Orakels zweiter Spruch: Alles in Maßen!
- Zeus und das Orakel von Delphi
- Die Python – die geflügelte Schlange der Gaia
- Wie das Orakel von Delphi zu seinem Namen kam
- Mächtige Apollonpriester des Orakels
- War die Pythia ein reines Medium?
- Antwortete Apollon selbst durch die Pythia?
Voraussichtliche Lesedauer: 13 Minuten
Das Orakel von Delphi als Machtzentrum des antiken Griechenland
Zu Zeiten des Trojanischen Krieges noch nicht, sondern etwa seit 800 v.d.Z galt das Orakel als Heiligtum des vielseitigen Sohns des Göttervaters Zeus: Apollon. Ursprünglich aber war es die Erdmutter Gaia, welche dem Orakel vorstand. Göttervater Zeus hatte mit Hilfe von zwei Adlern den Ort festgelegt, an dem das Orakel sich befinden sollte. Dort ließ er jenen Stein fallen, den Omphalos, mit dem seine Mutter ihn davor gerettet hatte, von seinem Vater verspeist zu werden. Aber wusstest Du, dass das Orakel von Delphi in der griechischen Antike als das Machtzentrum schlechthin galt? Und das obwohl dort kein König herrschte wie in den vielen Stadtstaaten Griechenlands?
Das Orakel von Delphi: Erkenne dich selbst
Über dem Eingang zum Orakel von Delphi stand in griechischen Inschrift „γνῶθι σεαυτόν“ (gnōthi seauton) was „Erkenne dich selbst“ bedeutet. Dieser Spruch gilt als eines der bekanntesten und bedeutendsten Delphischen Orakelspruch. Es soll eine Anweisung für die Pilger gewesen sein, die das Orakel aufsuchten, um ihre eigenen inneren Wahrheiten und Motive zu erkennen, bevor sie um Rat baten. Es gilt als Symbol für die Selbsterkenntnis und die Wichtigkeit, sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse zu verstehen, um ein erfüllteres und glücklicheres Leben zu führen. Nur wer sich selbst kennt, kann etwas anfangen damit, was das Orakel ihm rät. Man kann dieses „Erkenne dich selbst“ auch allgemeiner deuten und dann ist es heute so gültig wie damals: Sich selbst zu verstehen ist der Schlüssel für Problemlösungen aller Art in der „Außenwelt“.
Des Orakels zweiter Spruch: Alles in Maßen!
Es gab noch einen zweiten Spruch, der über dem Eingang zum Heiligtum gestanden haben soll (man weiß darüber heute nur aus Berichten): μηδὲν ἄγαν (Alles in Maßen). Das rechte Maß (berühmt: Der goldene Schnitt) zu finden, galt in der griechischen Antike als eine Tugend, die hohes Ansehen hatte. Übrigens bekamen beim Orakel von Delphi nur die Gutbetuchten eine der rätselhaft weisen Antworten durch die Orakelpriesterin Pythia. Wer kein Geld hatte, bekam nur ein Ja-Nein Orakel. Was ja durchaus auch helfen kann, wenn man sich seine Frage sehr genau überlegt hat.
Zeus und das Orakel von Delphi
Mit einem Stein in der Orakelstätte Delphi hat es eine besondere Bewandtnis, sie hängt mit dem Göttervater Zeus zusammen. Den Namen dieses Steins hast Du vielleicht schon mal gehört: Omphalos – der Nabel der Welt. Dieser Stein, der Omphalos, soll es, wie der Mythos erzählt gewesen sein, welchen die Mutter von Zeus anstelle von Zeus zu fressen gab. Kronos, der Vater von Zeus, hatte schon alle fünf Kinder verschluckt, die seine Frau Rhea ihm geboren hatte. Denn Gaia hatte einmal gesagt, dass eines der Kinder von Kronos ihm Thron und Herrschaft streitig machen werden. So verlangte Kronos von seiner Frau, Rhea, dass sie ihm ihre Neugeborenen zu Fressen gab. Rhea war darüber unglücklich und sann schließlich, bei ihrem sechsten Kind, Zeus, auf eine List. Sie gab ihm einen Stein in der Größe eines Neugeborenen, fein in Tücher gewickelt.
Diesen Stein musste er, als Zeus erwachsen, ihm ein mit Honig vermischtes Brechmittel gab, ausspucken und gleich darauf seine fünf älteren Kinder. Erwachsen geworden waren auch diese inzwischen und kampfbereit sogleich, aber das ist eine andere Geschichte. Zeus aber, nachdem er seinen Vater und dessen Verbündete besiegt hatte, platzierte diesen Stein, den sein Vater für ihn gehalten hatte, in Delphi. So markierte er den Mittelpunkt der Welt, jenen Ort, von dem alles ausgeht und alles zurück kehrt.
Die Python – die geflügelte Schlange der Gaia
Die Python war eine Tochter der Gaia, eine uralte geflügelte Schlange. Sie bewachte das Heiligtum der großen Muttergöttin Gaia. Der Ort am Fuße des Parnass-Gebirge gelegen, gut geschützt und doch von allen Seiten gut zugänglich, war ein idealer Platz für eine Orakelstätte. In einigen der Videos, die ich dir unten verlinkt habe, wird außerdem ausführlich beschrieben, dass an diesem Ort auch halluzinogene Dämpfe aus der Erde kamen. Der Mythos indes erzählt, dass die magische Macht des Ortes von der Python stammt, dem geflügelten Schlangenwesen.
Die Kundalinischlange? Python jedenfalls war von Hera ausgesandt worden, um die Mutter von Apollon und seiner Zwillingsschwester Artemis zu finden. Python hatte den Auftrag, Leto zu töten, doch fand sie die Leto nicht und kehrte zum Heiligtum der Gaia zurück. Dennoch – Apollon, noch keine vier Tage alt, rächte sich an der Python und erlegte sie mit seinen unfehlbaren tödlichen Pfeilen. Apollon siegte und errichtete nun an diesem besonderen Ort sein eigenes Heiligtum. Die Schlangensäule aber in Delphi könnte ein Hinweis darauf sein, dass den Griechen die göttliche Kraft der von Apollon getöteten Python nicht vergessen hatten.
Wie das Orakel von Delphi zu seinem Namen kam
Seinen Namen bekam das Orakel von jenem Gott, der auch für Weissagung zuständig war. Besser gesagt: Es gibt auch für den Namen des Orakels mindestens einen Mythos. Apollon der Gott des Lichtes und der Künste ist an dieser Geschichte maßgeblich beteiligt. Der Gott, noch ziemlich am Anfang seiner Entwicklung, hatte sich gerade die Orakelstätte erobert. Doch gab es noch keine Priester für den Tempel. Ob Zufall oder nicht, aber was überhaupt Zufall?, sah er vom Ufer aus ein Schiff, das in Seenot geraten schien. Apollon verwandelte sich in einen Delphin und rettete die Seeleute. Die dem sicheren Tode entronnenen willigten gern ein, Priester des Tempels zu werden. Sie sollen es auch gewesen sein, die dem Gott rieten, das Orakel nach jenem Tier zu benennen, Delphin, in dessen Gestalt er sie gerettet hatte. Der Gott hörte auf seine Priester und so wurde aus seiner Orakelstätte das Orakel von Delphi.
Mächtige Apollonpriester des Orakels
Soweit der Mythos, wie das Orakel von Delphi zu seinem Namen und zu seinen Priestern kam. Was aber wohl auch in der materiellen Wirklichkeit der Fall war, ist, dass die Priester des Orakels sich dem Gott Apollon geweiht hatten. Sie selbst hatten, als Institution, eine so große Macht, dass sie einige Jahrhunderte nicht nur das spirituelle, sondern auch das politische Zentrum Griechenlands waren. Dass die Priesterschaft über großen Einfluss auf Könige und andere Herrscher hatten, gab es in allen antiken Kulturen. Und allein in Griechenland gab es neben dem Orakel von Delphi noch viele weitere Tempelanlagen.
Doch das Orakel von Delphi stellte alle anderen Orakel dieser Zeit in den Schatten. Vielleicht waren die Apollonpriester besonders geschickt in der Ausdeutung der Orakel ihres Mediums „Pythia“. Manche Quellen legen dies nahe, doch scheinen solche Spekulationen aus den Denkmustern unserer modernen Gesellschaft sich zu speisen. Doch selbst wenn – die Priester blieben anonym, ihre Namen sind, mit Ausnahme des spätantiken Plutarch, nicht überliefert.
War die Pythia ein reines Medium?
Zurück zur Pythia, deren Namen und dessen hellseherische Kraft sie von Python hat, der geflügelten weiblichen Schlange, welche Apollon getötet hatte. Pythia also war kein Eigenname, sondern ein Amt bzw. eine soziale Rolle, ähnlich wie „Priester“, „König“ oder „Königin“. Vorzugsweise wurden in späteren Zeiten Frauen für die Rolle der Pythia ausgewählt, die mindestens 50 Jahre alt waren. Und es gab noch eine weitere Beschränkung bzw. Auswahl-Kriterium: Nur jungfräuliche Frauen aus der Umgebung Delphi waren es, welche die Rolle der weissagenden Pythia übernehmen durften. Ihr Stand soll dabei keine Rolle gespielt haben.
Andere Quellen sagen, dass nur Bäuerinnen von Delphi diese Rolle übernehmen durften. Ob das Amt der Pythia wohl begehrt war unter den Frauen von Delphi? Ich habe dazu bislang nur an einer Stelle Angaben finden können, welche davon ausgeht, dass es eine große Ehre war, Pythia zu werden. Ob wohl das Amt der Pythia jedes Jahr eine neue Frau übernahm? Wahrscheinlich schon, vielleicht sogar noch öfter. Und es waren die Priester, welche eine neue Pythia auswählten. Soweit der Stand der Forschung heute.
Antwortete Apollon selbst durch die Pythia?
Wenn man die Literatur zum Thema Delphi zu Gemüte führt, ziehen einen die sehr verschiedenartigen Quellen schnell in einige Kontroversen hinein. Einige Quellen gehen zum Beispiel von einer geschäftstüchtigen Priesterschaft aus, die auch vor Tricks und Betrug keinen Halt machen. Das geht so weit, dass die Pythia eigentlich nur unverständliche Laute von sich gibt. Die Priester aber schon vorab wissen, was der Orakelsuchende wissen will und in Hexametern eine Antwort verfassen.
Andere Quellen gehen davon aus, dass der Fragende die Pythia direkt fragen konnte und auch ihre – durchaus verständliche – Antwort hören konnte. Das würde dafür sprechen, dass die Pythia ein echtes Medium war bzw. sein musste, das in Trance der Mund von Apollon war. Ich halte beides für möglich und wer weiß, nicht jede Frau wird die Aufgabe der Pythia gleichermaßen „perfekt“ ausgefüllt haben. Wenn ich bedenke, dass das Orakel von Delphi ca 1000 Jahre aktiv war, wird es in dieser Zeit wohl auch seine Höhen und Tiefen gehabt haben.
Orakel Zeiten & Spielregeln
1000 Jahre sind eine lange Zeit. 1000 Jahre glaubte man zu wissen, dass es einen Mittelpunkt der Welt gibt. Von diesem Mittelpunkt geht alles aus und kehrt zu ihm zurück. Diese Art zu denken und sich die Welt vorzustellen, hatte Folgen. Das christliche Weltbild mit seinen strengen Dogmen, Hierarchien und unüberprüfbaren Heilsversprechen etwa. Wer weiß, womöglich wäre es ohne das Orakel von Delphi nicht möglich gewesen. Strenge Regeln jedenfalls mussten auch die Orakelsuchenden in Delphi einhalten. Es fand ca. 8 mal im Jahr, wohl jeweils am 7. des Monats statt.
Zudem soll es, so beschreibt es die Althistorikerin Tanja Scheer, verschiedene Arten von Orakel gegeben haben. Hexameter oder freie Rede, Rätselantworten oder klare Ansagen, mehrdeutige oder klare Antworten auf Ja-Nein Fragen. Interessant finde ich, auch das untersuchte Tanja Scheer, dass die Fragen einem Orakel angemessen sein mussten. Man konnte also nicht alles fragen, sondern stellte sich auf die Weisheit einer göttlichen Autorität ein. Und es gab Spielregeln, welche Art von Fragen erlaubt waren und welche nicht. Tanja Scheer beschreibt auch, was passieren konnte, wenn sich ein Orakelsuchender an diese Spielregeln nicht gehalten hat. Sich über den Gott oder gegen das Gemeinwesen zu stellen zum Beispiel, konnte übelste Folgen haben.
Quellen:
- Text: Delphi gehört seit 1987 zum Weltkulturerbe
- Maaß, M., Das antike Delphi (München 2007) Araújo-Caldas,
- M., Delphi – Orakel der Mächtigen: Untersuchungen zur Geschichte, Funktion und Bedeutung des delphischen Orakels in archaischer Zeit (Bonn 2003)
- https://youtu.be/7Hv7LjuWMAI?list=PLU4fQY3ytPD0Ph6TJl1v0IzQPxc5EpjSw
- https://youtu.be/TIU2FA0U2Oc?list=PLU4fQY3ytPD0Ph6TJl1v0IzQPxc5EpjSw
- https://youtu.be/lV4PkHxIO6A
- https://www.youtube.com/watch?v=lLF6dX2myu8
- Warum wir sterben – Buch von Venki Ramakrishnan
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- Pilger_Claude Lorrain – The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202., Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=154104
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