Bombenkrieg und das Luftschutzgesetz
Nach den Bestimmungen des Luftschutzgesetzes vom 26. Juni 1935 wurden alle Mieter und Hausbesitzer als „luftschutzpflichtig“ erklärt und mittels polizeilicher Direktiven angehalten, sich in Fragen des Luftschutzes ausbilden zu lassen, um im Ernstfall das eigene Haus und Eigentum schützen zu können. Jedermann sollte im selbst eingerichteten Luftschutzkeller unter dem eigenen Haus mögliche Angriffe überstehen und gleichzeitig in der Lage sein, Entstehungsbrände mit Eimer und Handspritze zu löschen und bei (Brand-) Verletzten Erste Hilfe zu leisten. Der Luftschutz war wie alle Organisationen des NS-Regimes hierarchisch nach dem „Führerprinzip“ gegliedert. Die örtliche Luftschutzleitung lag bei den Polizeibehörden: die Gliederungsebenen der Polizei (Gruppen, Abschnitte und Reviere) waren zugleich Befehlsstellen für den Einsatz des Sicherheits- und Hilfsdienstes. Dieser umfasste u.a. die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz und die städtischen Störungsdienste der Versorgungsbetriebe. Daneben gab es den „Selbstschutz“ der Zivilbevölkerung und den „erweiterten Selbstschutz“ für kleinere und mittlere Betriebe. Der RLB hatte schon im Jahr 1938 12,6 Millionen Mitglieder, darüber hinaus wurden noch mehr Menschen polizeilich zum Luftschutzdienst (Selbstschutz) herangezogen. Mit Kriegsbeginn, als Millionen Männer zur Wehrmacht eingezogen waren, wurden vermehrt Frauen zum Luftschutzdienst verpflichtet und im Kriegsverlauf auch Jugendliche unter 18 Jahren. Der zivile Luftschutz setzte also in erster Linie auf die Fähigkeit der Zivilbevölkerung, sich selbst vor Bombenangriffen zu schützen und sah dafür lediglich deckenverstärkte und notdürftig gegen (Brand-) Gase abgedichtete Keller vor. Es wurden größere öffentliche Schutzräume nur an Verkehrsknotenpunkten und Plätzen eingerichtet, um Menschen aufzunehmen, die unterwegs den eigenen Schutzraum bei Luftalarm nicht mehr erreichen konnten.
Erst mit der beginnenden Ausweitung des Bombenkriegs auf Wohngebiete im Verlauf der „Luftschlacht um England“ im August 1940 wurde der NS-Führung bewusst, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichten und dass die eigene Luftwaffe nicht in der Lage war, die Städte ausreichend zu schützen. Daher wurde ab Oktober 1940 mit dem sogenannten Führer-Soforterlass der Bunkerbau für die Zivilbevölkerung in 61 deutschen Großstädten forciert, darunter auch Köln als wichtige Großstadt im luftgefährdeten Westen. Es sollten in den sogenannten Luftschutzorten I. Ordnung aus Reichsmitteln und unter Leitung des Generalbevollmächtigten für die Regelung der Bauwirtschaft und Reichsministers für Bewaffnung und Munition Fritz Todt für mehr als die Hälfte der ca. 20 Millionen Einwohner der ausgewählten Städte Schutzplätze in Bunkern geschaffen werden. Die kleineren Städte und Landgemeinden waren Luftschutzorte II. und III. Ordnung und wurden bei diesem „Führersofortprogramm“ nicht berücksichtigt. Neben den öffentlichen Bunkern und speziellen Bauten wie Krankenhaus-Bunkern errichtete man nun vermehrt Bunker der Reichsbahn in der Nähe von Bahnhöfen und Schutzbauten der Industrie im Rahmen des Werkluftschutzes. Die zumeist als Hochbunker ausgeführten Schutzanlagen erhielten bombensichere Decken und Wände sowie häufig Versorgungseinrichtungen wie Dieselaggregate zur Stromerzeugung, teils eigene Brunnenanlagen neben dem Anschluss an das öffentliche Wassernetz, Heizungsanlagen und Lüftungsanlagen mit Filtern zum Schutz vor Brandgasen, aber auch chemischen Kampfgasen. Die Schutzsuchenden konnten mit ihrer „Bunkerkarte“ fest zugewiesene Plätze in kleinen Kammern, die mit Hochbetten ausgestattet waren, oder auf Sitzbänken auf Fluren oder in Vorräumen einnehmen. Auch standen oft Kochnischen sowie Toiletten- und Waschräume zur Verfügung, so dass der Aufenthalt über mehrere Stunden oder bis zum Morgen nach dem Angriff erträglich war. In einigen Kölner Hochbunkern sind noch Relikte dieser Ausstattungen erkennbar, in manchen sind jedoch sämtliche ursprünglichen Einbauten verschwunden.
Aufgrund des kriegsbedingten Baustoff- und Arbeitskräftemangels konnten in ganz Deutschland bis Ende 1941 nur 839 Bunker mit ca. 400.000 Schutzplätzen fertiggestellt werden. Hierzu wurden oftmals französische und belgische Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter eingesetzt. Noch bevor das erste Bauprogramm abgeschlossen war, wurde ab Sommer 1941 eine „zweite Bauwelle“ projektiert, in der ca. 500.000 Schutzplätze in 31 Städten entstehen sollten. Die Bunker dieser zweiten Welle erhielten aufgrund der bisherigen Luftkriegserfahrungen verstärkte Wände und Decken. Von den heute erhaltenen Hochbunkern in Köln wurden 14 bereits im Jahr 1942 fertiggestellt, sechs weitere folgten 1943. Bis Mai 1943 wurden reichsweit ca. 3.000 Bunker gebaut. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Bombenkrieg durch die Beteiligung der US-Bomberflotte deutlich verschärft, daher wurde eine Ausweitung des „Führersofortprogramms“ auch auf Luftschutzorte II. und III. Ordnung befohlen. Allerdings hatte sich der Baustoffmangel weiter verschärft und es wurden vermehrt materialsparende Splitterschutzgräben auf Plätzen und in Gärten angelegt. Es entstanden bis Kriegsende im ganzen Reich ca. 6000 Bunker, von denen ein großer Teil nach dem Krieg gesprengt und abgetragen oder für Wohnzwecke umgebaut wurde. Allerdings mussten in der unmittelbaren Nachkriegszeit aufgrund der enormen Wohnungsnot in der zerstörten Domstadt zunächst zahlreiche Evakuierungs-Rückkehrer und später Flüchtlinge aus dem Osten in den beengten und dunklem Bunkern wohnen, ohne dass bauliche Veränderungen vorgenommen werden konnten. Diese Notwohnungen bestanden oft bis Ende der 1950er Jahre. Auch wegen einer Direktive der alliierten Besatzungsmacht zur Entfestigung und zur Zerstörung der Hochbunker, für die keine Verwendung nachgewiesen werden konnte, war die sinnvolle Weiterverwendung der Anlagen im Interesse der Stadtverwaltung. In den meisten Fällen gelang der Nachweis einer Weiterverwendung und die Zerstörung unterblieb zunächst. In den folgenden Jahrzehnten erfuhren die einstigen Schutzbauten vielfältige Nutzungen durch örtliche Vereine, öffentliche Stellen oder zu Wohnzwecken. Hierüber ist unter den einzelnen Baubeschreibungen mehr zu erfahren.
Text: Andreas Altena
Version: 1.1
Quellen
- - CRIFA, Öffentliche Ausstellung "Hochbunker - Integration in ein modernes Stadtbild" zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland (Köln, 8.-24. Mai 2009)
- - Hampe, Erich: Der zivile Luftschutz im Zweiten Weltkrieg. Dokumentation und Erfahrungsberichte über Aufbau und Einsatz, Frank-furt/Main 1963, S. 60ff.
- - Linhard, Andreas: Feuerwehr und Luftschutz 1926–1945. Die Umstrukturierung des öffentlichen Feuerlöschwesens in Deutschland unter Gesichtspunkten des zivilen Luftschutzes. Braunschweig, 2002, S. 105ff.
- - Foedrowitz, Michael: Bunkerwelten: Luftschutzanlagen in Norddeutschland, Berlin 2002, S. 12ff.
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